Klassische oder agile Verträge: So finden Sie die passende Vertragsart

Klassische Projekte und deren Verträge haben eine entscheidende Schwäche. Obwohl sie ein großes Maß an (vermeintlicher) Budget-Sicherheit bieten, können sie bei der Geschwindigkeit der schnelllebigen Unternehmenswelt kaum noch mithalten.

So wird aus der Sicherheit, genau zu wissen, wann ein Produkt fertig ist und welche Funktionen es umfasst, die Gefahr, ein veraltetes Produkt zu erhalten, das nicht mehr den aktuellen Anforderungen entspricht.

Gerade bei komplexen Softwareproblemen stoßen Sie mit klassischen Verträgen schnell an die Grenze. Denn in der modernen Softwareentwicklung wird zunehmend agil entwickelt. Das bedeutet: Weder das Produkt, das geliefert wird, noch wann das Produkt fertig wird, stehen zu Beginn der Zusammenarbeit eindeutig fest. Vertraglich lässt sich dies nur über Verträge abdecken, die eine agile Zusammenarbeit ermöglichen.

In diesem Artikel erfahren Sie, was genau „agile Verträge“ ausmacht und ob sie auch für Ihr Projekt geeignet sind.

Fünf entscheidende Unterschiede von klassischen und agilen Verträgen

Zunächst einmal schauen wir uns an, wie sich klassische und agile Verträge unterscheiden. Ich habe die wichtigsten Unterschiede in einem kurzen Video auf den Punkt gebracht:

Es lässt sich festhalten, dass sich die beiden Vertragsarten vor allem in fünf grundlegenden Punkten unterscheiden:

  1. Projektumfang: Bei einem klassischen Werkvertrag ist der Projektumfang meistens auf einen langen Zeitraum festgelegt. Das bedeutet, alle Anforderungen werden in einem Pflichtenheft gesammelt und anschließend abgearbeitet. Nicht so bei einem agilen Vertrag. Hier können Änderungen nach jedem Sprint vorgenommen werden. Dadurch kann das Entwicklerteam Feedback zeitnah berücksichtigen. Die Basis ist jedoch auch hier ein Backlog, bei dem der Aufwand zu Beginn geschätzt wird.
  2. Projektzeitraum: Der Zeitpunkt der Releases und Milestones ist bei klassischen Verträgen festgelegt. Bei agilen Verträgen gilt: Das Projekt ist beendet, sobald das Produkt fertig ist. Natürlich können Sie auch einen Zeitraum bzw. eine fixe Anzahl an Sprints festlegen. Ergebnisse, die zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden sind, können Sie übernehmen.
  3. Release-Zyklen: Die Release-Zyklen bei klassischen Projekten betragen mehrere Monate bis Jahre. Bei agilen Verträgen gibt es im Idealfall nach jedem Zyklus (Sprint) einen Prototypen, der getestet werden kann.
  4. Budget: Das Budget kann bei beiden Vertragsmodellen sowohl nach T&M (Time & Material, oder auf deutsch Vertrag auf Zeit und Materialbasis) abgerechnet werden oder auch fixiert werden. Im agilen Fall heißt das, dass eine bestimmte „Run-Rate“ des Teams budgetiert wird.
  5. Steuerung: Hier gilt Output vs. Outcome. Bei klassischen Verträgen wird zum Beispiel gemessen, ob das Entwicklerteam zum Zeitpunkt X den entsprechenden Milestone erreicht hat. Bei agilen Verträgen wird geprüft, ob das Produkt die Anforderungen der Kunden erfüllt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei klassischen Verträgen ganz klar die Budget-Sicherheit im Vordergrund steht. Agile Verträge geben dem Entwicklerteam deutlich größere Freiheiten, auf kurzfristige Änderungen zu reagieren und regelmäßig Feedback zu sammeln, um schlussendlich das beste Produkt für Kunden zu entwickeln.

So finden Sie die passende Vertragsart

Ob agile oder klassische Verträge die bessere Wahl sind, hängt von zwei grundlegenden Faktoren ab: der Projektkomplexität und der Arbeitsweise in Ihrem Unternehmen.

Komplexe Projekte brauchen agile Verträge

Agile Verträge sind nicht für jedes Projekt die richtige Wahl. Es ist entscheidend, dass Sie sich im Vorfeld Gedanken machen, welche Aufgaben im Projekt anfallen und wie gut Sie sie definieren können. Hierbei können Ihnen folgende Fragen helfen:

  • Sind Sie sich sicher, dass sich die Rahmenbedingungen während des Projekts nicht ändern werden? 
  • Sind Sie sicher, dass sich der Wert für Ihr Unternehmen genauso erreichen lässt, wie Sie es definiert haben?
  • Bestehen die Aufgaben ausschließlich aus wiederkehrenden Tätigkeiten?
  • Sind die Risiken der technischen Implementierung gering bzw. sind die Anforderungen klar formulierbar? 
  • Ist das Projekt eher klein und nicht langfristig angelegt, sodass Sie kein Team für die Betreuung und Weiterentwicklung des Produkts benötigen?
  • Kaufen Sie ein standardisiertes Produkt, dass keine Integration in ein bestehendes Produkt benötigt? 

Wenn Sie alle Fragen mit „Ja“ beantworten können, ist vermutlich ein klassischer Vertrag ausreichend. Ihr Projekt und die Anforderungen lassen sich im Vorfeld bereits genau definieren. Anders sieht es aus, wenn Sie nur einige der Fragen mit „Ja“ beantworten können. In diesem Fall ist es lohnenswert, sich das Thema agile Verträge genauer anzuschauen.

Keine agilen Verträge ohne agile Arbeitsweise

Die Komplexität Ihres Projekts ist allerdings nicht der einzige entscheidende Faktor. Wenn Sie in Ihrem Unternehmen nicht in der Lage sind, agile Projekte umzusetzen, bringt Sie auch ein agiler Vertrag nicht weiter.

Denn um das bestmögliche Produkt agil zu entwickeln, muss bei einer Anbieter-Kunden-Beziehung eine Kultur herrschen, die eine enge Zusammenarbeit und Anpassungsfähigkeit ermöglicht. Die Grundlage bilden hierbei die Prinzipien des agilen Manifestos. Ursprünglich stammt das Manifesto aus der Softwareentwicklung. Es lässt sich jedoch auch auf Unternehmen übertragen. 

Überlegen Sie sich, ob Sie in Ihrem Unternehmen eine Basis für agile Projekte besitzen und folgende Punkte gewährleisten können:

  • Feedback-Zyklen: Sie sind in der Lage, schnelle Feedback-Zyklen (idealerweise alle 2 bis 4 Wochen) umzusetzen und dem Entwicklerteam kontinuierliches Feedback zu geben.
  • Transparenz: Sie können während des Projekts vollständige Transparenz gewährleisten. Das bedeutet das Entwicklerteam hat einen Zugang zum Backlog, dem Fortschritt der Implementierung unterschiedlicher Features und den Ergebnissen nach jedem Feedback-Zyklus.
  • Variabler Projektumfang: Sie sind damit einverstanden, dass das Feedback nach jedem Zyklus mit in die weitere Produktentwicklung einfließt. Projektumfang und Aufgaben können entsprechend angepasst werden. Die Option muss auch vertraglich festgehalten werden, zum Beispiel über eine „Changes for free“ Klausel. Sie ermöglicht Änderungen im Backlog, sofern sie keinen Mehraufwand bedeuten.
  • Effektive Zusammenarbeit: Sie können eine enge Zusammenarbeit zwischen sich, dem Entwicklerteam und dem Endkunden gewährleisten. Idealerweise arbeitet das Team an einem Ort, sodass eine direkte und informelle Kommunikation möglich ist. Wenn der Anbieter eine Person vor Ort stellt, die eine aktive Rolle im Projekt übernimmt (keine Managementrolle, die nur als Verbindung zum Entwicklerteam dient) ist dies von Vorteil.

Wenn Sie die folgenden Punkten umsetzen können und außerdem komplexe Projekte haben, sind agile Verträge vermutlich eine gute Wahl. Sollten Sie noch kein agiles Mindset in Ihrem Unternehmen etabliert haben und dennoch mit agilen Projekten arbeiten wollen, können Sie sich mit Workshops diesem Ziel nach und nach annähern. Schreiben Sie uns gerne, wenn Sie weitere Informationen benötigen. 

Wann ist eine agile Arbeitsweise sinnvoll?

Kein Projekt ist wie das andere. Und kein Unternehmen gleicht dem anderen. Daher können für die Zusammenarbeit mit Ihren Kunden und Partnern nicht immer die gleichen starren Rahmenbedingungen gelten.

Überlegen Sie sich im Voraus, welche Rahmenbedingungen Sie für das jeweilige Projekt benötigen und ob Ihr Unternehmen eine agile Arbeitsweise lebt. Vor allem, wenn Sie komplexe Projekte umsetzen wollen, bieten eine agile Arbeitsweise bzw. agile Verträge eine solide Grundlage.